Meinen ersten Arbeitgeber nach der Lehrzeit fand ich im Stämpfli Verlag, gleich auf der anderen Seite desselben Gebäudes. Hier wurden vor allem juristische Publikationen produziert und ich tauchte ein in eine Welt aus Text. Sehr viel Text. Über die Jahre hatten sich Regale über Regal voll wertvoller Informationen angesammelt. Seit einiger Zeit nun arbeitete der Verlag daran, diese Archive auch online zugänglich zu machen. In meiner Zeit beim Verlag durfte ich mithelfen den Publikationsworkflow zu überarbeiten und erarbeitete ein Redesign der bereits etwas angestaubten Archivseiten.
Kontext
Seit langem ist der Stämpfli Verlag auf Publikationen zum Schweizer Recht spezialisiert. Darunter fallen ein knappes Duzend Zeitschriften in denen die aktuelle Rechtsprechung veröffentlicht und kommentiert wird. Für jede dieser Publikationen bietet der Verlag den Abonnenten Zugang zu einem Onlinearchiv aller alten Ausgaben. Die bestehenden Onlinearchive hatten aber bereits ein gutes digitales Jahrzehnt auf dem Buckel und der technologische Unterbau machte es schwierig, dringend nötige Entwicklungen und eine visuelle Auffrischung der Seite umzusetzen. Der Verlag entschied sich darum die Archive ausgehende von den bestehenden XML-Daten neu aufzubauen. Als Speerspitze dieses Projektes diente das Periodika zum Thema «Arbeitsrecht». Es galt also während jeder Entscheidung im Blick zu behalten, wie sie auf die anderen Archive angewandt werden würden.
Design-System
Um die Ableitung neuer Archivseiten so einfach wie wie möglich zu machen, entschieden wir uns, dass sie sich primär durch ihr Farbschema unterscheiden sollten. Zusammen mit den verschiedenen Logos würden sich die Seiten untereinander klar unterscheiden. Gleichzeitig wäre durch das identische Layout und die gleichen Schriften auch klar, dass alle Archive aus dem selben Haus stammten.
Alle CSS-Dateien wurden dazu mit dem Preprocessor SASS erzeugt. Das ermöglichte uns, die Farben global einmalig neu zu definieren und schnell mit neuen Erscheinungsbildern zu experimentieren. Diese Möglichkeit war sehr wertvoll um die ästhetische Wirkung aber auch die Lesbarkeit verschiedener Farbkombinationen direkt zu testen.
Suche
Einer der grossen Schmerzpunkte der Onlinearchive war, dass die Suche äusserst langsam und die Optionen für die Nutzer schwer verständlich waren. Zum Beispiel machten nur sehr wenige Juristen von der Möglichkeit Gebrauch, ihre Suche mit Hilfe von boolschen Operatoren zu verfeinern.
Eine der wichtigsten Anforderungen an die Neukonzipierung war darum eine durchgängig verständliche und reaktive Suche über das ganze Archiv.
Design der Suche
Um uns ein paar Runden User-Testing zu ersparen, haben wir während der Gestaltung der Suchfunktion auf bewährte Design-Patterns zurückgegriffen. Diese sind sowohl aus der Literatur als auch aus einer Auswahl vorbildhafter Seiten wie Amazon oder Kayak abgeleitet.
Bei einer Fachzeitschrift kommt es schnell vor, dass bestimmte Fachbegriffe im Archiv hunderte oder gar tausende Male vorkommen. Zusätzlich zur Volltextsuche wurde darum eine Filterfunktion vorgeschlagen um die Masse an Resultaten etwas zu reduzieren. Die kleine Zahl neben den Auswahlmöglichkeiten zeigt zudem an, wie viele Resultate noch übrigbleiben wenn ein Filter aktiviert wird.
Um herauszufinden welche Filterachsen für die Nutzer am meisten Sinn ergeben würden, führten wir unter den Redaktoren des Verlags, die meisten selbst auch Juristen, eine kleine Befragung durch. Diese ergab schliesslich vier Achsen:
- Die Publikation in der ein Artikel erschienen ist (jedes Archiv umfasst auch Artikel anderer relevanter Publikationen).
- Die Rubrik in der ein Artikel erschienen ist.
- Das Gericht welches den Entscheid getroffen hat, auf den sich der Artikel bezieht.
- Der Zeitraum in dem der Artikel erschienen ist.
Für das Interface zur Auswahl des Zeitraumes haben wir verschiedene Varianten getestet. Eine Zeitachse mit einem Slider erschien uns zum Beispiel zuerst als die eleganteste Lösung. Damit liess sich der Zeitraum aber nur ungefähr eingrenzen. Es zeigte sich aber bald, dass die Möglichkeit einer sehr exakten Auswahl oftmals von Vorteil war. Zum Beispiel, wenn es dem Nutzer darum ging, die Reaktionen auf einen bestimmten Gerichtsentscheid herauszusuchen.
Backend der Suche
Um die Suche über zig-tausende XML-Dateien zu beschleunigen, stiessen wir in unseren Recherchen relativ rasch auf Apache Solr. Nachdem wir die Artikel damit indexiert hatten, dauerte die Volltextsuche nun noch einige hundert Millisekunden anstelle von mehreren Sekunden. Zudem konnten wir Solr via API als eigenen Dienst ansprechen, was gut in die geplante Architektur für das Backend passte. Diese sollte auch andere Funktionen wie zum Beispiel die bestehende Nutzerverwaltung via API einbinden.
Das Bücherregal
Das Bücherregal ist zur einen Hälfte eine Navigationshilfe und zur anderen Hälfte ein Marketinginstrument des Verlags. Es zeigt relevante Publikationen, deren zuletzt erschienene Artikel und die letzten Archivjahrgängen an. Die Ziel war, dass bestehende Nutzer dieses Bücherregal als eine Art «Newsfeed» sehen würden und neue Nutzer im gleichen Zug auf andere relevante Publikationen des Verlags aufmerksam gemacht werden.
Die Gestaltung vereint verschiedene subtile Details um möglichst allen Anforderungen auf sehr kleinem Raum gerecht zu werden. Aktive und inaktive Tabs mit Kurzbeschreibungen der Publikation. Das kondensiertes Inhaltsverzeichnis das auch monströse Titel gnädig aufnimmt. Und schliesslich die Links auf die Jahresarchive die auffallen ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen.
Typografie
Da die Inhalte der Zeitschrift primär aus Text bestehen, wurde grosser Wert auf eine gepflegte typografische Darstellung der Artikel gelegt. Sie sollten online ebenso angenehm zu lesen sein wie auf Papier.
Wir machten uns aber in diesem Punkt auch keine allzu grossen Illusionen. Die Erfahrung mit der bestehenden Seite hat immer wieder gezeigt, dass ein überwiegender Teil der Nutzer Artikel gerne ausdrucken und lieber auf Papier lesen und nachbearbeiten. Ein spezielles Print-Stylesheet wurde darum erarbeitet. Die Artikel werden damit auch ausgedruckt auf ein A4-Blatt sowohl schön als auch papiersparend dargestellt.
Ein weiteres Detail sollte den Nutzern beim Zitieren eines Artikels helfen: Die Online-Version eines Artikels zeigt es dem Leser nämlich an, wo in der gedruckten Version ein Seitenwechsel stattfindet. Damit kann gezielt auf Seiten verwiesen oder auch danach gesucht werden.
Resultat
Durch eine Beteiligung am Webportal SwissLex erwarb der Verlag bereits während meiner Zeit eine alternative Möglichkeit seine Onlinearchive zu publizieren. Der Relaunch der eigenen Webarchive rutschte dadurch in der Prioritätenliste bald nach unten und das Projekt wurde schliesslich auf Eis gelegt. Die Neukonzeption ist daher auch bis heute nicht live. Zu meinem grossen Bedauern, ich hätte sehr gerne gesehen, wie die Nutzer darauf reagieren.